Was für ein Jahr… Dieser Stoßseufzer gilt für dieses Jahr vielleicht noch mehr als für 2022. Die Welt erscheint aus den Fugen, im Großen und manchmal auch im Kleinen. Der unvermindert andauernde russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, der Hamas-Terror gegen Israel und seine schrecklichen Folgen für die gesamte Region, die politischen Entwicklungen in den USA, der Rechtsruck in vielen anderen Ländern, der so erschütternd langsame Fortschritt beim Klimaschutz… Es wäre zum Verzweifeln, gäbe es nicht immer auch kleine Hoffnungsschimmer, etwa das Wahlergebnis in Polen mit der Hinwendung zu mehr Demokratie und zu Europa oder das unglaubliche Durchhaltevermögen der Ukraine trotz mancher Zögerlichkeit bei der Unterstützung von außen.

Hier im Lande beschäftigt mich unabhängig von meinen beruflichen Tätigkeiten die Sorge um den Zusammenhalt der Gesellschaft und unsere Demokratie am meisten. Es scheint kaum noch ein Thema zu geben, das nicht sofort in eine Polarisierungsspirale gerät. Vertrauen in Politik und Institutionen scheint weiter zu schwinden, Klientelpolitik und Blockadehaltungen auf verschiedenen Ebenen tun ihr übriges. Mangelnder Mut vor allem auf der Bundesebene, die fehlende Ermutigung der Menschen für die notwendigen Veränderungen, die Priorisierung parteipolitischer Profilierung vor der gemeinsamen Arbeit an zukunftsfähigen Lösungen für die großen Herausforderungen – hat es angesichts dieses Rahmens in diesem Jahr tatsächlich Fortschritte gegeben?

Doch, die gibt es, sogar in der Verkehrspolitik. Natürlich gilt vieles von dem oben Gesagten auch für das Themenfeld der nachhaltigen Mobilität, von der Verweigerungshaltung weiter Teile der Bundespolitik über das weitgehend sinnfreie verkehrspolitische Agieren der neuen Mehrheitsfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus (Stichwort Magnetschwebebahn) bis zum Gegenwind vor Ort bei selbst kleinen Maßnahmen zur Umverteilung öffentlichen Raums. Doch im Schatten dieser Wahrnehmung eines Rollback in der Verkehrswende passiert dennoch viel, vom messbaren Rückgang des Autoverkehrs in vielen großen Städten bis zu zahlreichen Maßnahmen gerade auch in kleineren Kommunen, die dem Fuß- und Radverkehr mehr Raum verschaffen und die Lebensqualität in den öffentlichen Räumen stärken.

Und selbst im Scheitern zeigt sich der Wandel: Falls nicht noch ein kleines Wunder geschieht (durch die Anrufung des Vermittlungsausschusses und einem konstruktiven Ergebnis dort), hat der Bundesrat durch seine Ablehnung der Straßenverkehrsrechtsreform am 24.11. ein zentrales Projekt der Verkehrswende zumindest für diese Legislaturperiode auf Eis gelegt. Bund und Länder haben bei diesem zähen Prozess erneut bewiesen, dass ihnen die Belange der Kommunen letztendlich weniger wichtig sind als (siehe oben) Klientelpolitik bzw. parteipolitische Machtspiele. Doch: Dass mittlerweile über 1.000 Kommunen (in denen ca. 40 Mio. Menschen leben) in einem breiten parteiübergreifendem Konsens der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ als einem wesentlichen Treiber der Straßenverkehrsrechtreform beigetreten sind, zeigt nicht nur, dass die Kommunen nicht mehr hinnehmen wollen, dass über ihre Interessen hinwegregiert wird. Mindestens ebenso wichtig: Sie haben damit vor Ort über die Diskussion zu einem möglichen Beitritt zur Initiative in ihren politischen Gremien den öffentlichen Diskurs zur Verkehrswende vorangetrieben (etwas, wobei die Bundesebene bislang versagt) und damit einen wichtigen Beitrag zur Akzeptanz des notwendigen Wandels geleistet. Die Kommunen bleiben die Orte der Veränderung. Und das macht trotz aller Rückschläge Mut und Hoffnung.

Für mich selbst hat dieses Jahr trotz vieler Widrigkeiten wieder viele positive Erlebnisse gebracht, mit vielen spannenden alten und neue Projekten im ganzen Land und auch international – vor allem aber die schönen und inspirierenden Begegnungen mit den Menschen, die hinter diesen Projekten stehen. Ich möchte mich wieder bei allen ganz herzlich bedanken, die mir in diesem Jahr die Mitwirkung an diesen Projekten auf den unterschiedlichsten Ebenen mit den unterschiedlichsten Themen in ebenso unterschiedlichen Rollen ermöglicht haben, so dass ich erneut einen kleinen Beitrag zum notwendigen Wandel leisten konnte.

In meiner tollen Bürogemeinschaft “Dachatelier” in Berlins Mitte fühle ich mich weiterhin pudelwohl (momentan ist übrigens der eine oder andere Schreibtisch frei, bei Interesse gerne melden), auch wenn ich in den letzten Wochen dort nur sporadisch sein konnte: Bei einem Fahrradsturz Anfang November brach mein linkes Sprunggelenk – und seitdem lerne ich die Welt mit einem dickem Vakuumschuh und zwei Krücken noch einmal ganz neu kennen (und weiß jetzt noch besser, wie weit der Weg zu einer barrierefreien Umgebung noch ist)… Aber selbst aus diesen Erfahrungen speist sich Zuversicht: Im angeblich so kalten und ruppigen Berlin habe ich mit meinen Einschränkungen so viel Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme völlig unbekannter Menschen erfahren, wie ich es nicht erwartet hätte. Und sowieso: der operierte Fuß erholt sich gut, ich bin zuversichtlich, dass ich bald wieder im gewohnten Umfang mobil sein werde.

Das Allerwichtigste aber bleibt: Alle guten Wünsche für ein frohes, entspanntes Weihnachtsfest und ein gesundes, glückliches neues Jahr!

Alles Gute, herzliche Grüße,

Ihr/Euer Burkhard Horn